Fabian Dütschler ist Geschäftsführer von One Agency, einer führenden IT-Personaldienstleistungsagentur mit Hauptsitz an der Bahnhofstrasse in Zürich. In seiner Kolumne im „Swiss IT Magazine“ beschäftigt sich Dütschler mit den Herausforderungen, die sich rund um die Personalsuche und die Karriereplanung ergeben.
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass in der Schweiz IT-Fachkräftemangel herrscht. In den nächsten Jahren sollen es bis zu 25’000 Personen sein, die im Markt fehlen. So überrascht es wenig, dass in einer von uns durchgeführten Befragung von Schweizer Firmen jedes dritte Unternehmen offenbarte, Mühe bei der Rekrutierung von IT-Fachkräften zu haben. Nichtsdestotrotz scheint vielen Unternehmen nicht klar zu sein, dass sie sich der Situation anpassen müssen, wenn es um die Gewinnung von IT-Spezialisten geht.
In meinen Augen kann man einen IT-Spezialisten heute als „König des Arbeitsmarktes“ bezeichnen. Er kann sich auswählen, wo er arbeiten möchte. Der Kandidatenbereich ist so sehr ausgetrocknet, dass gute Software-Entwickler täglich über 15 Jobangebote von abwerbenden Headhuntern erhalten. Unternehmen müssen dies verstehen und Kandidaten als Könige betrachten – genauso wie der Kunde als König betrachtet wird. Denn ein Unternehmen steht und fällt heutzutage mit seinen guten Fachspezialisten. Also müssen sich Unternehmen bei ihren Fachspezialisten bewerben und nicht umgekehrt. Nur sind sich viele HR-Verantwortliche dessen nicht bewusst.
Tatsache ist: Die besten Fachspezialisten sind selten aktiv Suchende – sprich sie sind grundsätzlich zufrieden mit ihrem Job, werden jedoch durch Headhunting-Agenturen angesprochen und sobald eine bessere Möglichkeit kommt, greifen sie zu. Solche Spezialisten muss man sehr behutsam angehen und auf ihre Erwartungen eingehen, damit man sie für sich gewinnen kann. Oft wird der Rekrutierungsprozess fälschlicherweise einfach standardisiert abgehalten, egal ob sich eine hochspezialisierte Person bewirbt oder ob es sich um eine administrative Person handelt, von denen es unzählige gibt. Schnapsideen wie Video-Interviews, in denen HR-Personen einen standardisierten Fragekatalog runterspulen, den Kandidaten zu Hause am PC dann beantworten müssen, schrecken jeden guten Fachspezialisten ab. Das sind stupide Rekrutierungsspielchen, die nur Zeit kosten.
Die Geschwindigkeit ist ein weiteres Thema. Gerade weil Fachspezialisten so gefragt sind und täglich umworben werden, ist es wichtig, dass man den Rekrutierungsprozess speditiv gestaltet, keine Spielchen spielt und Personen, die interessant für die Firma sind, rasch ein Angebot auf den Tisch legt. Ansonsten ist die Gefahr sehr hoch, dass ein anderer schneller ist. Es gibt leider immer noch zu viele Unternehmen, die den Prozess unnötig in die Länge ziehen à la „Wir haben eben noch andere Kandidaten…“. Nach zwei Wochen ist man dann erstaunt, wenn der Kandidat bereits ein anderes Angebot angenommen hat.
Neben der Rekrutierung müssen sich Unternehmen heute auch überlegen, wie sie ihre Spezialisten halten können. Das Commitment von Mitarbeitern gegenüber dem Arbeitgeber und die Identifikation mit dem Unternehmen sind im Vergleich zu früher weniger gegeben – insbesondere bei Fachspezialisten, die täglich neue Angebote erhalten.
Und nicht zuletzt: Arbeitgeber sollten auch aufpassen, was man vor der Anstellung alles verspricht. Ich beobachte gerade bei grossen Unternehmen, die sich nur mit ihrem Brand verkaufen, dass zu Beginn vieles versprochen, dann aber wenig eingehalten wird. Wichtig vor allem: Man sollte bei IT-Fachspezialisten nicht geizig bei Ausbildung und Zertifikaten sein, denn für sie ist es wichtig, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Ebenfalls sollten Sachen wie Home Office angeboten werden, gerade, wenn es sich ergibt, dass die Leute Remote arbeiten können. Personen einen gewissen Freiraum zu geben, entspricht sicherlich unserem Zeitgeist.
Link: http://www.itmagazine.ch/Artikel/66908/Kolumne_Die_Koenige_des_Arbeitsmarktes.html